Kerbespruch 1959

 

Seid mir gegrüßt ihr lieben Gäst,

heut zu unserm Kerbefest.

Bärstadter Kerb weit und breit bekannt,

durm sinn se kumme aus em ganze Hesseland.

Mit Schnawwelschuh und Bügelfalte

wird bei uns da Kerb gehalte.

Ein ganzes Jahr ist wieder mal vorbei
so e Ding wie die Kerb müsst öfter sei.

Drum werft euer Alltagssorge übern Haufen,

und lasst den Alkohol durch die Kehle laufen,

Ihr Kraftfahrer vergesst mer aber nett die Promille, ihr Flittcher,

sonst sitzt ihr mir morje all in de Kittcher! – V i v a t!

 

Jetzt will ich euch in bunten Bilder, was im letzten Jahr geschah,

in kurzen Worten schildern:
Unser Scholles, wie immer der erste,

arbeitet über Wochenende in Erbenheim, fest.

Das Bürgermeistergehalt für ein Mann von solchem Können,

man sieht in von einer Behörde zur anderen rennen,

ist für den Familienunterhalt viel zu klein,

drum muß er woanders noch tätig sein.

Mit seiner Vertretung heckt er manche Satzung aus,

zum Schluß werden selbst nicht mehr schlau daraus.

Der eine, ein Mann voll Tatkraft und Würde,

kam gesundheitlich nicht  über die Vierjahreshürde.

Die Gemeindepolitik hat ihm so zugesetzt.

Sein Nachfolger, ein Pensionar von Schrot und Korn,

kam durch den Wechsel jetzt nach vorn.

Er hat auch gleich bei seinem Deppüt,

die Wassergeldsatzung im einzelnen zerpflückt!

Seine Argumente sind gar nicht von Pappe

Es hilft aber alles nichts, mir müsse berabbe.

Moral von der Geschicht:
Setzt Wasseruhr’n, dann brauchen wir die Satzung nicht.

Und doch sei der Vertretung unser Lob gezollt,

ihr habt bis jetzt nur das beste gewollt.

Macht weiter so mit euren Plänen,

dann werden wir 61 euch wieder wählen. – V i v a t!

 

Doch letztlich kamen die Gemüter der Bauern,

zum Teil in Wallung, zum Teil ins Trauern,

Das Unterhaus will die Gemarkung umgelegt haben,

das Oberhaus meint: Für uns Kleine ist dies nur von Schaden.

Ich kam mir vor wie im 17. Jahrhundert,

so haben sich die beiden Häuser beflunkert.

Die einen hüh, die anderen hott,

sie kamen sich deswegen bald an de Kopp.

Ihr beiden Parteien, gewiß es gibt Für und Wider,

doch bleibt ganz ruhig mit euren Gemüter.

Er hat schon sein Vorteil so e Umlegerei,

ihr Oberhäusler wartet bis zum übernächste Mai.

Denn stellt ihr fest, in eins, zwei Jahr,

die Sach’ die ist doch wunderbar. – V i v a t“

 

Das Forsthaus ist im Sommer im Staub fast versackt,

da hat den Förster ein idealer Gedanke gepackt.

Man könnte wirklich fast baden im Staub,

grau war statt grün im Garten das Laub.

Die Nachbarschaft schnupfte auch schon das ganze Jahr,

es mußt’ was passieren, das war ganz klar.

Da er sowieso ein Freund von Schildern,

ließ er die Kenschelach auch noch bebildern.

Es ist das schönste  all seiner Zeichen,

10 Kilometer Staub, jetzt muß man schleichen.
Hätt’ er damals statt der Hohlgass’ die Kenschelach gemacht,

dann würde das Schild jetzt an der Hohlgass angebracht. – V i v a t!

 

Drei Jäger gingen einmal auf die Jagd,

sie führen fort schon in dunkler Nacht.

Sie legten fest, wo sie wollten jagen,

der Treffpunkt war um 8 Uhr wieder am Wagen.

Zwei waren dort, zu verabredeter Zeit,

der dritte musste gleich kommen, er war ja nicht weit.

Doch siehe da: Der Förschter und sein Gast,

die wurden beide ganz schön naß.

Die Mäntel waren im Auto – oh, welch ein Schreck,

der dritte war ja mit dem Schlüssel noch weg.

Sie standen und dachten: Er kommt ja im Nu.

Haste gedacht, um 9 hatten beide Wasser in den Schuh.

Sie glaubten alle zwei, ihm sei was passiert,

und rannten ins Dorf ganz echauffiert.

Halb Bärstadt wurde mobil gemacht,

und mittels Traktoren in das Jagdgebiet gebracht.

Sie durchsuchten den Wald unter Rufen und Schrei’n,

doch der Pächter saß in der „Sonne“ bei Rheingauer Wein.

Er erwartete die andern mit dem dümmsten Gesicht,

aber ungeschoren davon kam er diesmal nicht. – V i v a t!

 

Der Reiterverein ist Bärstadts Attraktion,

die Reiter und Pferde sind die großer Aktion.

Doch neulich war die Höhe der Saison,

es wurde gefeiert, ganz enorm.

Eine ungarische Nacht wurde inszeniert

und sämtliche Getränke ausprobiert.

Zwei waren dabei, die konnten das nicht vertragen,

ihnen schlug das Zeug wohl auf den Magen.

Sie waren unfähig, nach Hause zu geh’n,

auf dem Festplatz war ein Strohhaufen zu seh’n.

Sie krochen hinein –

Huch, war das fein. – V i v a t!

 

Es zogen 6 Bärstadter mal an den Rhein,

in der Wirtschaft Hempel, da kehrten sie ein.

Sie aßen und zechten die halbe Nacht,

auf dem Heimweg da hat’s dann furchtbar gekracht.

Der eine stürzte mit dem Motorrad die Böschung hinab,

der mit der Isetta dachte: Mensch, der macht schlapp.

Den muß ich retten, dem muß ich nach,

doch siehe, da kam die große Plamach.


Er fuhr mit Bravour die Böschung hinunter,

da wurden die Mitfahrer aber munter.

Sie stiegen dann, o Schreck o Graus,

einer nach dem anderen aus dem Schiebedach raus.

Sie wollten suchen das Motorrad auf ihre Art,

vergaßen aber alle, dass die Isetta noch in Fahrt.

Moral von der Geschicht:
Beim Aussteigen vergiß das Halten nicht. – V i v a t!

 

An einem schönen Sonnentag, da wollte einer fahren,

er versuchte es mit einem P 4, das ist ein alter Wagen.

Die Huppert, die war das Renngebiet,

der Wagen hatte trotz Alter noch sehr viel Gemüt.

Der Motor heulte auf, die Räder drehten rund,

der Wagen wurde schneller, im Weg war ein Hund.

Der Fahrer zog und zerrte am Steuer.

Da – ein Schlag – ein Krach – ein Blitz –

Im Nu wars ganze Dorf ohne Licht.

Der Schreck und Schaden, beide waren groß,

der Fahrer hatte alles in der Hos’. – V i v a t!

 

Da die Landwirtschaft sich modernisiert,

hat sich einer auch für ein Moped interessiert.

Er kaufte so ein Ding auch kurz entschlossen,

und fuhr in Feld und Flur ganz unverdrossen.

Im Sommer das Wetter, es war wunderschön,

da wollt’ er sei Frau bei sich auf dem Moped seh’n
Es klappte auch anfangs alles ganz gut,

da bekam der Fahrer den nötigen Mut.

Er brauste die Hohlgass rauf und runter,

bei der Abfahrt mit 80 es war kein Wunder,

passierte, was ja kommen musste,

dem Moped ging jetzt aus die Puste.

Sie stürzten beide, oh welche Pein,

mitsamt dem Moped in den Graben rein. – V i v a t!

 

Ein Bauer wollte ganz schnell, schnell
seine Kartoffel heimfahren auf der Stell.

Es war schon fast dunkel, der Wagen war voll,

da krachte die Karre, es war einfach ganz toll.

Die Räder, oh, welch’ „grand malheur“,

sie waren kaputt und gingen nicht mehr.

Flugs lief er nach Haus und borgte sich nen neuen,

doch das war noch lange kein Grund sich zu freuen.

So hat er zwar jetzt die Kartoffel zu Hause,

doch der verbrochene Wagen stand immer noch drauß.

Dort blieb er dann auch noch tagelang steh’n,

kein Wunder allein konnte er ja nicht geh’n.

Es war wie im dreißigjährigen Krieg,

wo altes Zeug auf dem Felde stehen blieb.

Doch jetzt hat er das Denkmal stückweise zu Haus,

und damit ist die Geschichte aus. – V i v a t!


 

Ein Bauer hätt gern, trotz dunkler Nacht,

noch schnell seinen Hafer unter Dach gebracht!

Er gabelt und lädt in aller Schnelle,

denn man bedenke, es war nicht mehr helle.

Am anderen Tag beim Ährenlesen,

merkt er, es war gar nicht sein Hafer gewesen.

Und die Moral von der Geschicht:
Vergeßt die Orientierung nicht. – V i v a t!

 

Mein Spruch ist bald aus,

aber geht nicht nach Haus,.

Ich hätt euch ja noch mehr zu sagen,

was sich im Örtchen hat zugetragen.

Zum Bespiel: Tollwütige Männer, Wochenendsiedlungsgebiet,

aber diese Themen schlagen mir aufs Gemüt,

Kehrt lieber in der „Sonne“ ein,

um zu trinker deren guten Wein.

Das letzte Glas in dieser Stunde,

leer ich auf die ganze Runde.
Es lebe die Bärstadter Kerb 1959 – V i v a t!